Berichte 2024

Wien 1945 – 1949

Am Mittwoch, 13. November 2024 blätterte unser Vorstandsmitglied Prof. Dr. Andreas Pospischil im Fotoarchiv seines Vaters, der als Fotojournalist in Wien in der Zeit von 1945 bis 1949 tätig war. Er brachte sogar die legendäre Leica seines Vaters mit und sie erzählte quasi von den Ereignissen in dieser Zeit.

Wien und Österreich wurden nach Beendi­­g­­­ung des Zweiten Weltkriegs von den Alliierten in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Erst mit dem Staats­vertrag von 1955 wurde das Land wieder frei.

Die Foto-Reportagen dieser Jahre zeigen neben der Beseitigung der Kriegsschäden, den Wieder­aufbau von Industrie und historischen Bauten auch tägliche Probleme und die Anpassung an unterschiedliche Ziele und Regeln, die die Besatzungsmächte in ihren Zonen erliessen.

Bei der anschliessenden Diskussion berichten noch einzelner Zuhörer über persönliche Schicksale aus dieser Zeit.

Kolonial – globale Verflechtungen der Schweiz

Am 17. Oktober luden wir unsere Mitglieder zu einer Führung ins Landemuseum Zürich. Auf uns wartete ein spannendes Stück Schweizer Geschichte, die kolonial globalen Verflechtungen der Schweiz. Die Ausstellung ist auf den neuesten Forschungsresultaten aufgebaut, anhand von Bio­grafien, Kunstwerken, Fotografien, Schriften und Objekten wurde ein Stück Schweizer Geschichte eindrucksvoll dokumentiert. Das Erbe des europäischen Kolonialismus prägt die Welt bis heute, ab dem 16. Jahrhundert waren Personen und Unternehmen aus der Eidgenossenschaft eng mit dem kolonialen System verflochten. Im Rahmen der Führung erhielten wir einen umfangreichen Einblick in die Kolonialgeschichte der Schweiz.

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Der Krimi und das Schreiben

Die letzte Veranstal­tung vor dem Sommer am 13. Juni 2024 haben wir dem Krimi gewidmet. Unser Gast war die Zürcher Bestseller­autor­in Gabriela Kasperski. Wir haben zu einem neuen Format eingeladen, zu einem moderierten Werkstatt-Gespräch. Frau Kasperski schreibt Krimis, bei denen es nicht nur um die Leiche geht, sondern auch immer um zentrale Fragen der Gesellschaft. Mit viel lokalem Kolorit und Finesse webt sie ihre Geschichten. Mit ZÜRCHER VERSTRICK­UNGEN gewann sie den Zürcher Krimipreis.

Gabriela Kasperski studierte Anglistin, war Schauspielerin und Sprecherin, bevor sie ihren Kindheitstraum verwirklichte und Schriftstellerin wurde. Es war ein spannendes Gespräch über das Schreiben. Wir erfuhren, was einen guten Krimi ausmacht. Wir sprachen über das Glück des Schreibens und den Preis, den es dem Leben abverlangt. Über die Routine des Schreibens und ob man Schreiben lernen kann? Begleitet von gelesenen Textpassagen tauchten wir gemeinsam in die Welt der Spannung ein. Das Wetter war uns gnädig und so konnten wir den anschliessenden Apéro im wunder­schönen Garten der Villa einnehmen.

Organisatorin und Interviewpartnerin: Elisabeth Giovanoli

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Transzendenz – wozu?

Der Vortrag am 30. Mai 2024 im Lyceum Club beschäftigte sich mit einer psycho­analytischen Standortbestimmung von Transzendenz. Mit Transzendenz gemeint ist der Bereich, der jenseits der sinnenmässig vorfindbaren Wirklichkeit liegt und dennoch gespürt werden kann.

Die Psychoanalytikerin Frau Dr. Erla Ammerer skizzierte, wie es zu einer geglückten Entwicklung von der Geburt bis ins Erwachsenenalter kommen kann. Dazu ist ein innerer Raum nötig, in dem Gefühle und Gestimmtheiten Platz finden können, ohne sofort einen Weg ins Handeln finden zu müssen.

Die Psychoanalyse kann dazu keine bindende Antwort geben. Sie begleitet Einzelne in ihre psychische Verselbständigung, die auch die Fähigkeit zum Allein-Sein, also zum Al-Eins-Sein mit sich bringen kann.

Journalismus

Astrid TomczakMit einem Blick in die Geschichte eröffnete am 15. Mai 2024 im Lyceum Club Astrid Tomczak-Plewka ihren sehr gut strukturierten Vortrag. Dass es die Verbreitung von falschen Neuigkeiten aus wirtschaftlich oder politisch motivierten Gründen bereits in der Geschichte gab, zeigte sie anhand des Beispiels des Orakels von Delphi auf. Fake News sind also keine Erfindung unserer Zeit. Sie zeigte dann auf, wie aufwendig die Recherche für Wissenschaftsjournalisten ist, um Nachrichten auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Eine kleine Hilfestellung, Fake News zu erkennen, rundeten diesen sehr interessanten Vortrag ab. So gibt es z.B. Webseiten fürs Fact-Checking wie correctiv.org und stopfake.org. Beim anschliessenden Apéro fand ein reger  Austausch der anwesenden Mitglieder und Gäste statt.

A. Tomczak
Astrid Tomczak-Plewka

Overtourism

Touristische Destinationen kommen in jüngster Zeit immer mehr an ihre Kapazitäts- und Belastungsgrenzen. Seit ein paar Jahren wird dieses Phänomen mit dem Begriff ‘Overtourism’ bezeichnet.

Dr. Florian Eggli, Dozent am Institut für Tourismus und Mobilität der Hochschule Luzern, sprach am 18. April 2024 im Lyceum Club zum Thema Overtourism. Er gab einen vertieften Einblick in die aktuelle Situation der Tourismusstadt Luzern und suchte nach Ursachen, Erklärungs­mustern und Lösungs­ansätzen zu den Konflikten, welche im Zusammen­leben mit dem Tourismus entstehen.

Florian Eggli
Dr. Florian Eggli

Er beleuchtete Luzern als historisch gewachsene Tourismus­stadt, brachte aktuelle Zahlen und Fakten zur touristischen Situation und zeigte mit vielen Bildern das alltägliche Zusammen­leben mit dem Tourismus. Die touristische Wert­schöpfung betrug im Jahr 2019 722 Mio. CHF in der Stadt Luzern und 1’037 Mio CHF im Kanton. D.h. der Anteil der Stadt Luzern ist 70%. Interessant ist die Wertschöpfung aus dem Detail­handel mit Uhren und Schmuck von 181 Mio CHF in der Stadt Luzern.

Fazit

  • Tourismus prägt den Lebensraum Luzern (Image, Funktion und Ausrichtung) und ist stark mit ihm verwoben.
  • Einheimischen und Gäste nutzen den Raum zeitgleich. Dieser wird durch die Nutzung erst ‘produziert’.
  • Es stellt sich die Frage, welche Nutzungsform dominiert und wie damit schlussendlich umgegangen wird

Im Anschluss an den Vortrag wurde die Möglichkeit zur Diskussion rege genutzt.

Anton Bruckner

Im September 2024 jährt sich der Geburtstag von Anton Bruckner zum 200. Mal. Das ganze Jahr 2024 ist daher geprägt von zahlreichen Veranstaltungen, die den großen österreichischen Komponisten ehren. Am 15. Februar hielt der Dirigent Prof. Ralf Weikert im Lyceum Club für die ÖSKG einen Vortrag über

Anton Bruckners Weg vom Schulgehilfen zum gefeierten Komponisten, an der Schwelle zur Moderne

Es ist fast unmöglich, das reiche Leben eines der größten Symphoniker in einer Stunde zu behandeln. Obwohl Bruckners künstlerische Schaffensperiode erst im Alter von etwa 40 Jahren begann, war sein Komponistenleben voll von Entbehrungen, Enttäuschungen, aber auch Triumphen. Über wenige Persönlichkeiten der Musikwelt sind so viele falsche Gerüchte und Anekdoten verbreitet worden. Prof. Weikert stellte diese richtig und präsentierte Leben und Werk Anton Bruckners auf sehr eindrucksvolle Weise. Dazu gab es aufschlussreiche Musikbeispiele.

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Angelo Soliman “Hofmohr“ im Wien des 18. Jahrhunderts

Yves H. Schumacher berichtete am 18. Januar 2024 über Angelo Soliman, einen Hof- oder Kammermohr im Wien des 18. Jahrhunderts. Der Beitrag ist ein Teil der aktuellen Diskussion in Zürich über die angemessene Verwendung des Begriffs “Mohr“. Soliman wurde um 1712 geboren und verstarb 1796 in Wien.

Als Kind wurde er gegen ein Pferd an Europäer eingetauscht und erhielt den Namen André (arabisch Idris). Mit etwa zehn Jahren brachte ihn ein Schiff nach Messina, wo ihn eine Marquise kaufte und für seine Erziehung sorgte. Bei der Taufe erhielt er den Namen Angelo. Im Laufe der Zeit erlernte er mehrere Sprachen fliessend, darunter Deutsch, Englisch, Latein, Tschechisch, Französisch und Italienisch. Er gelangte als Geschenk an den Fürsten Johann Georg Christian von Lobkowitz, der ihn als Kammerdiener, Soldat und Reisebegleiter einsetzte. Nach dessen Tod übernahm ihn der kaiserliche Feldmarschall Josef Wenzel (Liechtenstein). Bei ihm stieg er zum Chef der Dienerschaft auf.

Ohne das Wissen des Fürsten heiratete Soliman am 6. Februar 1768 Magdalena, geborene von Kellermann, verwitwete Christiani. Fürst Liechtenstein hatte Eheschließungen seiner Diener verboten, um später keine Versorgungsleistungen zahlen zu müssen. Man entliess Soliman daraufhin aus dem fürstlichen Dienst. Am 18. Dezember 1772 wurde Solimans Tochter Josephine geboren. Im Jahr 1773 wurde er in Diensten bei Fürst Liechtenstein Privatlehrer des Prinzen Alois I. (Liechtenstein). Im Jahr 1781 trat Soliman der Wiener Freimaurerloge “Zur wahren Eintracht“ bei. Nach seinem Tod im Jahr 1796 wurden seine inneren Organe bestattet, seine Haut jedoch präpariert. Ausgestopft präsentierte man ihn als halbnackten Wilder im Kaiserlichen Naturalienkabinett im leopoldinischen Trakt der Hofburg. Die Überreste Solimans wurden 1806 durch einen Brand im Dachstock des Museums zerstört.

In seinem Buch «Sklaven und Hofmohren», das 2021 beim Verlag Zocher & Peter in Zürich erschienen ist, erzählt Yves Schumacher weitere Geschichten über die schreckliche Ausbeutung von Menschen anderer Hautfarbe.

Berichte 2023